Dortmund Brünninghausen,
Katholische Kirchengemeinde Heilige Familie


„Die Verlorene Zeit“
1998, Zweitausführung

Opalglas, Siebdruck
52,3 x 74 cm


Ausführung:
Glasmalerei O. Peters, Paderborn

Eigentum:
Eigentum: Glasmalerei O. Peters Paderborn und Wilhelm Buschulte

 

„Ach wissen Sie, das war doch nur Spielerei!“ erklärte Wilhelm Buschulte eher herunterspielend, als wir die Scheibe das erste Mal betrachteten. „Ich habe einfach angefangen zu zeichnen, so ohne Thema, das hat sich so ergeben.“ 1 Im Siebdruckverfahren wurde die Zeichnung Buschultes direkt auf das Glas umgesetzt.
Im oberen Teil ist eine Szene zu sehen, bei der unter den Augen eines Bischofs und vielen anderen Beistehenden ein nicht ganz legales Geschäft abgewickelt wird. Offensichtlich wird hier Geld „verschoben“. Im mittleren Teil sieht man den dornengekrönten Christus, der eine Taschenuhr an einer langen Kette in eine kleine Tasche hineingleiten lässt. Eine symbolträchtige Handlung, die zu vielen Interpretationen einlädt, die als solche vom Künstler aber gar nicht unbedingt beabsichtigt waren.
Der untere Teil wird dominiert von einem Mann mit einem breitkrempigen Hut, der zwei Milchflaschen mit Kreuz in den Händen hält. Links neben ihm steht ein kleines, den Betrachter direkt anblickendes Tierchen. Buschulte wurde durch Joseph Beuys (1921-1986) zu dieser Szene inspiriert. Im Jahr 1962/63 schuf Beuys eine Kreuzigungsgruppe aus eher ungewöhnlichen Materialien.2 „Das Wissen um die verwendeten Bestandteile einerseits in Verbindung mit der christlichen Ikonografie andererseits, lassen diese Kreuzigungsgruppe zu einem außergewöhnlichen und betrachtungswürdigen plastischen Werk werden.“3
Auch das kleine undefinierbare Tierchen, das Buschulte dieser Zeichnung hinzufügt, ist in Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit der sogenannten angewandten Kunst zu sehen. So hat Beuys 1971 in einer New Yorker Galerie in einem Raum eine Woche lang mit einem Kojoten zusammengelebt. Ihr Zusammensein während der ganzen Woche wurde zur Kunst erklärt.


Wilhelm Buschulte wehrt sich immer dagegen, bei der künstlerischen Darstellung und Umsetzung von Themen in der Historie „zu versinken“ oder sich darin „zu verkriechen“. Jede Zeit habe seinen Ausdruck und als Künstler sollte man aus der Zeit heraus handeln und die Einflüsse einbringen. Andererseits steht er jedoch der autonomen Kunst seiner Zeit sehr kritisch gegenüber. Er möchte mit seinen Werken den Betrachter dazu anregen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen, sich damit allgemein zu beschäftigen und zum selbständigen Denken anregen. So ist bei dieser Scheibe, die in der katholischen Stiftskirche St. Clara in Dortmund Hörde eingebaut ist, der Betrachter aufgefordert, sich seine eigenen Gedanken zu machen und damit auseinander zu setzen. Eine dritte Ausführung befindet sich im Besitz des Künstlers.
Christine Haße

1 Gespräch mit dem Künstler am 29. 07.2004 im Deutschen Glasmalerei-Museum Linnich.zurück zur Textstelle
2 Joseph Beuys: Kreuzigung, 1962/63, Objekt aus Holz, Nägeln, Elektrokabel, Schnur, Nadel, Zeitungspapier, Gips, Farbe und zwei Plastikflasche, 42,5 x 19 x 15 cm, Staatsgalerie Stuttgart. vgl. www.staatsgalerie.de. zurück zur Textstelle
3 Ilonka Czerny, Kunstreferentin an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Vortrag vom 29. Februar 2004. www.akademie-rs.de. zurück zur Textstelle